Sonne, Meer und künstliche Intelligenz: Die Mayflower ist (wieder) unterwegs

Die neue Mayflower, auch MAS400 genannt, soll ohne Kapitän und Besatzung von Grossbritannien nach Amerika fahren - 5200 Kilometer über den launenhaften Nordatlantik, von England an die Ostküste der USA. Damit will IBM zusammen mit der Meeresforschungsorganisation ProMare und anderen Unternehmen demonstrieren, was künstliche Intelligenz heute leisten kann. Jetzt ist das Schiff, vollgepackt mit kognitiver Computertechnologie von IBM, in See gestochen.

  #IBM   #Künstliche Intelligenz  
Felix Wolfensberger
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Mayflower autonomous ship (MAS) hatte sich am 15. Juni 2021 schon einmal auf die Reise begeben – auf den Spuren der Pilgerväter, die 400 Jahre früher auf dem Segelschiff Mayflower in die neue Welt aufgebrochen waren[ii]. Die erste Reise der modernen Mayflower dauerte allerdings nur gerade zwei Tage. Am Abend des 17. Juni 2021 trat auf dem Schiff ein Problem auf, das zum Verlust von Leistung und Geschwindigkeit führte. Nach einer Ferndiagnose stellte das Support-Team von ProMare fest, dass es sich wahrscheinlich um ein mechanisches Problem mit dem Schiffsgenerator handelte, das ohne menschliches Eingreifen nicht zu beheben war. Tatsächlich stellte man nach der Rückkehr zur Basis fest, dass das Problem durch einen Bruch in der flexiblen Metallkupplung zwischen dem Schiffsgenerator und dem Abgassystem verursacht worden war. Zwar nutzt die MAS400 Sonnenkollektoren, um so viel Energie wie möglich von der Sonne zu beziehen. Ein bordseitiger Generator schaltet sich aber automatisch ein, um die Batterie bei Bedarf aufzuladen. Nach dem Bruch der Kupplung musste sich die MAS400 ausschliesslich auf die Solarenergie verlassen, aber das schlechte Wetter und der raue Seegang führten dazu, dass nicht genug Solarenergie erzeugt werden konnte, um die Reise fortzusetzen.

Hier geht's zum Live-Dashboard der MAS

 

Automatisierung, KI und Edge-Computing

Die moderne Mayflower ist ein Schiff mit drei Rümpfen. das mit einer Kombination aus Windturbinen, Diesel und Solarenergie über den Ozean fährt. Sie wurde so konstruiert, dass sie völlig selbständig fahren kann (solange nichts schief geht). Die Betreiber können zwar dem Schiff Nachrichten schicken. Wenn diese aber nicht ankommen, erfüllen die Bordcomputer ihre programmierten und angelernten Aufgaben.

Die Atlantiküberquerung, die jetzt wieder im Gang ist kann, im Gegensatz zum Jahr 1620, weltweit per Internet verfolgt werden – mit Live-Video, Karten und Daten-Streaming.[iii] Das Projekt nutzt IBMs Technologien für Automatisierung, KI und Edge Computing, um auf See ständig seinen Zustand, seine Umgebung und seine Mission zu evaluieren und um Entscheidungen zu treffen. Die Reise sollte voraussichtlich etwa drei Wochen dauern.

 

Wie ein Raumschiff-Enterprise-Zubringerschiff

MAS ist ein sehr eindrückliches Gefährt[iv]. Es sieht aus wie ein Raumschiffs-Enterprise-Zubringerschiff, ist fünf Tonnen schwer und 15 Meter lang. Es verfügt über einen hochstabilen Aluminium-Trimaran-Rumpf und wird durch ein solarbetriebenes, hybrid-elektrisches Antriebssystem angetrieben. Das Schiff erreicht immerhin 8 Knoten (15 km/h). Das mag langsam erscheinen, ist aber immer noch viel schneller als die ursprüngliche Mayflower, von der man annimmt, dass sie im Durchschnitt weniger als 4 km/h vorwärtskam.

Für geografische und meteorologische Entscheidungsgrundlagen ist MAS mit präziser Trägheitsnavigation, Global Navigation Satellite System (GNSS) Positionierung, Radarsensoren, Satellitenkommunikation und meteorologischer Instrumentierung ausgestattet. Die Anlagen überwachen auch das aufkommende Wetter - anhand von Vorhersagedaten der IBM-eigenen «Weather Company»[v]. Was fehlt, auf dem Schiff, sind Kojen und Kombüse für Kapitän und Crew. Stattdessen gibt es Racks für die kognitive Computertechnologie von IBM, die das Schiff steuert.

 

Der «AI Captain» hat jahrelang gelernt

Das Gehirn, das MAS die Fähigkeit verleiht, ohne menschliches Eingreifen zu operieren - wird vom Team «AI Captain» genannt. Dieser virtuelle KI-Kapitän hat ein jahrelanges Training absolviert, um sich das notwendige Wissen anzueignen. Mit Inferenzalgorithmen und Modellen, generiert mit der IBM Visual Insights Computer-Vision-Technologie, lernte der Kapitän mit mehr als einer Million nautischer Bilder Schiffe, Trümmer, Brücken, Landstücke, treibende Schiffscontainer zu erkennen. Dafür kann MAS400 2,5 Seemeilen (4,6 Kilometer) weit vorausschauen.

Für die Meeresforschung verfügt MAS400 über eine elektrische «Zunge», welche die Chemie des Ozeans «schmeckt» und Informationen über organisches Material und Mikroplastikverschmutzung erfasst. Und es gibt sogar Mikrofone, die Walgesänge auffangen können.

Sobald der KI-Kapitän verwertbare Daten von Bordkameras, Radar, Sonar, und anderen Geräten erhält, welche die Umgebung des Schiffs ständig scannen, greift er auf das automatisierte Regelmanagementsystem von IBM, den IBM Operational Decision Manager (ODM), zurück, um die internationalen Vorschriften zur Verhinderung von Kollisionen auf See zu befolgen. ODM ist eigentlich gar keine keine Seefahrer-Software: Sie ist in der Finanzdienstleistungsbranche weit verbreitet, um Kredite zu genehmigen und Kundenangebote zu personalisieren, und sie bietet eine transparente Aufzeichnung von Entscheidungsprozessen, um Szenarien zu vermeiden, bei denen nicht klar ist, warum eine bestimmte Entscheidung getroffen wurde.

 

Edge Computing für die Datenverarbeitung an Bord

Um Entscheidungen zu treffen, ohne mit einem Computer an Land verbunden zu sein, verfügt MAS über 15 Edge-Computing-Geräte zur Verarbeitung von Daten an Bord. Die Entscheidungslogik, die auf ODM-Software basiert, läuft als Edge-Workload auf dem Schiff. Alle Edge-Geräte werden vom IBM Edge Application Manager orchestriert. Auf See verlässt sich der KI-Kapitän von MAS auf ODM-Empfehlungen sowie aktuelle und prognostizierte Updates von The Weather Company, um kontinuierlich Optionen zu bewerten, Gefahren zu umgehen und Navigationsentscheidungen zu treffen. Eine Safety-Manager-Funktion, die auf Red Hat Enterprise Linux läuft, unterstützt die Entscheidungen des AI Captains.

Was die Hardware auf MAS betrifft, kommen verschiedenste Rechner zum Einsatz: Neben den auf KI spezialisierten IBM Power Systems AC922 Servern[vi] gibt es NVIDIA Jetson Module[vii], die auf autonome Maschinen, KI und Edge-Computing spezialisiert sind – bei niedrigstem Energieverbrauch - sowie Intel-basierte Computer und zusätzliche, speziell gebaute Rechner.

 

Ein Vorbote der Zukunft

Das autonome Schiff Mayflower ist ein Vorbote der Zukunft. Das von einem KI-Kapitän gesteuerte und von IBM Automation angetriebene Schiff wird zeigen, wie weit KI schon heute die autonome Schifffahrt ermöglicht. Auf die Seefahrt im Allgemeinen, die weltweite Handelsschifffahrt und unzählige andere Branchen wird dies langfristig enorme Auswirkungen haben.

UMB ist in der Schweiz der einzige IBM-Partner mit dem Elite Speciality Status für IBM Power und Storage in der Schweiz. Überdurchschnittliches Know-how - sowohl im IBM-Hardware- wie auch im Software- und Service-Bereich garantieren für hervorragende Zusammenarbeit. Kontaktieren Sie uns für zusätzliche Informationen.

 

[i] Promoting Marine Research and Exploration (promare.org)

[ii] IBM News Room - Mayflower Then and Now

[iii] Mayflower Autonomous Ship (mas400.com)

[iv] Sea change — setting a new course for ocean research

[v] The Weather Company, an IBM Business | Accurate Weather Technology & Data

[vi] IBM Power System AC922 - Overview | IBM

[vii]Jetson Xavier NX Developer Kit | NVIDIA Developer