IT-Personalverleih: Die Grundlagen

Abhängig von den gesuchten Skills kommen in der Informatik unterschiedliche Modelle des Personalverleihs zum Einsatz. Fachkräfte finden Unternehmen ausser bei Personalvermittlern auch bei IT-Firmen und in losen Netzwerken. 

(Artikel aus dem Swiss IT Magazine, September 2022)

 
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Adrian Stuber
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Als Reaktion auf den anhaltenden Fachkräftemangel bei den IT-Berufen setzen Unternehmen immer häufiger auf externe Spezialisten. Allein die Temporärbranche trägt mit ihrem Geschäftsmodell der Fachkräftesuche einen wesentlichen Beitrag zum Bruttoinlandprodukt (BIP) bei. Swissstaffing, der Branchenverband der Schweizer Temporärdienstleister, ergänzt in seinen Jahresstatistiken Erhebungen des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco und des Unfallversicherers Suva mit eigenen Schätzungen. Demzufolge wuchs die Branche (ausser pandemiebedingt im 2020) in den vergangenen zehn Jahren mehrheitlich überproportional zum BIP. 2021 setzten die Personaldienstleister 10,3 Milliarden Franken um, das Wachstum gegenüber dem Vorjahr betrug 14,1 Prozent. Das BIP legte derweil 5,2 Prozent zu. Dem Verband zufolge haben 2020 in der Schweiz 428’613 Menschen oder 19 Prozent mehr als im Jahr davor temporär gearbeitet. Das entspricht einer Anzahl von 101’474 Vollzeitäquivalenten. IT-Fachkräfte über Temporärvermittler zu finden, ist allerdings nur einer von vielen Wegen, derer sich Unternehmen bedienen. Denn die Situation ist in der IT eine andere als etwa in der Gastronomie oder dem Baugewerbe. Typischerweise findet man hochqualifizierte oder auf besondere Technologien spezialisierte IT-Mitarbeitende nicht in erster Linie über Temporärfirmen. Die branchenübergreifenden Zahlen von Swissstaffing erlauben denn auch keine direkten Vergleiche mit der Situation bei den IT-Berufen. Sie zeigen aber einen grundsätzlichen Trend: Flexible Arbeitsmodelle sind beliebter denn je und machen einen immer grösseren Anteil am Gesamtarbeitsmarkt aus. Und das aus den unterschiedlichsten Gründen. Unternehmen können damit zeitlich bedingte Einsätze abdecken und auf qualifiziertes Personal zurückgreifen, ohne es vollzeitlich beschäftigen und vollständig ins Unternehmen integrieren zu müssen. Gleichzeitig leisten temporär Arbeitende einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und ganzer Branchen. Im Gegenzug können qualifizierte IT-Kräfte ihren Wunsch nach mehr privater und beruflicher Freiheit leben. Die Modelle, die dabei zum Einsatz kommen, sind vielfältig und werden teils unterschiedlich ausgelegt. Das Bundesgesetz für und die Verordnung über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (AVG und AVV) definieren die Tätigkeiten allerdings genau: Personalverleih bedeutet, dass ein Arbeitgeber die Leistungen eines Arbeitnehmenden einem Leihunternehmen überlässt, indem er diesem einen Teil seiner Weisungsbefugnis abtritt. Das AVG unterscheidet drei Formen: Temporärarbeit, Leiharbeit und das gelegentliche Überlassen von Arbeitskräften an Dritte. Zum Schutz des Arbeitnehmenden sieht das AVG vor, dass eine Vermittlungsbewilligung benötigt, wer regelmässig gegen Entgelt Arbeit vermittelt. Wer Arbeitnehmer anstellt und sie gewerbsmässig zur Verfügung stellt, benötigt eine Verleihbewilligung. Das gelegentliche Überlassen von Arbeitskraft, etwa wenn ein Unternehmen aufgrund mangelnder Auftragslage die Mitarbeitenden nicht auslasten kann, ist hingegen nicht bewilligungspflichtig.

 

Temporärarbeit

Bei der Temporärarbeit schliesst der Personalverleiher als formeller Arbeitgeber in der Regel zunächst einen generellen Rahmenvertrag mit dem Arbeitnehmenden ab mit dem Ziel, diesen für potenzielle Einsätze an Einsatzunternehmen anzubieten. Dabei bleibt es dem Temporärmitarbeitenden überlassen, einen Einsatz anzunehmen oder nicht. Erst wenn er sich dafür entscheidet, schliesst er, üblicherweise für eine begrenzte Dauer, einen konkreten, individuellen Vertrag mit dem Personalverleiher ab. So geht der Einsatzbetrieb keinen direkten Arbeitsvertrag ein. Er schliesst mit dem Vermittler einen Einsatzvertrag ab, den man auch kurzfristig kündigen kann. Die Temporärfirma verfügt häufig über eine umfangreiche Datenbank und kann je nach verlangten Skills kurzfristig Arbeitnehmende vermitteln. Für gewisse Einsätze ist dieses klassische Temporärgeschäft allerdings meistens nicht geeignet. Denn Fachkräfte mit ganz besonderen Skills sind tendenziell weniger auf einen Arbeitsvermittler angewiesen als Personal für wiederkehrende Aufgaben, für die keine besonderen Qualifikationen verlangt werden. Im Temporärmodus arbeiten deshalb typischerweise Helpdesk-Mitarbeitende oder Systemingenieure.

 

Leiharbeit

Bei der Leiharbeit, umgangssprachlich mittlerweile als Bodyleasing oder Bodyshopping geläufig, wird der Arbeitnehmende angestellt, um ihn an Einsatzbetriebe zu verleihen. Der Arbeitgeber kann, muss aber nicht eine Vermittlerfirma sein. In der Regel sind aber Arbeitgeber eher IT-Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden auch bei sich selbst einsetzen können. Der Arbeitsvertrag ist entsprechend nicht wie bei der Temporärarbeit auf einzelne Einsätze beschränkt. Der IT-Dienstleister kann in diesem Modell einen für die gewünschte Zeit befristeten Vertrag, in dem der Leistungsumfang beschrieben wird, mit dem Kunden abschliessen und die Arbeit als Consulting-Dienstleistung nach Stunden- oder Tagessätzen verrechnen. Hier findet sich eine Besonderheit, die für gewisse Branchen wie die IT gilt: Während nämlich im Allgemeinen gemäss den Weisungen des Seco beim Personalverleih die Verpflichtung zur Abrechnung der Arbeitsstunden besteht, sind in der IT-Branche Abrechnungen der effektiven Arbeitszeit ohne Kostendach üblich. Der Unterschied zum Personalvermittler besteht also darin, dass das IT-Unternehmen keine Verleihbewilligung benötigt. Der Mitarbeitende tritt im Namen des IT-Dienstleisters auf und wird nur dort, wo es fachlich nötig ist, beim Kunden in die Strukturen integriert. Das ist meistens dann der Fall, wenn schon von vornherein klar ist, wie lange jemand für die Aufgabe benötigt wird. Der Kunde verfügt meist selbst nicht oder über zu wenige der nötigen Ressourcen.

 

Personalvermittler vs. IT-Unternehmen

Wie bei der Temporärarbeit ist beim Bodyleasing oder Bodyshopping über eine IT-Firma die Leistung nicht an eine einzelne Person gebunden, sondern an deren Qualifikationen. Sie trägt aber im Gegensatz zur einer Verleihfirma die Verantwortung für die Erfüllung des Vertrags. Letztere ist dagegen nur dafür zuständig, den Mitarbeitenden mit der gebotenen Sorgfalt auszuwählen und zu instruieren. Das Weisungs- und Kontrollrecht und damit die Verantwortung für die Gefahr einer Schlechterfüllung liegt hier hingegen beim Leistungsempfänger, also dem Einsatzbetrieb. Über diese regulatorischen Unterschiede hinaus gibt es aber noch andere Kriterien, durch die sich der Einsatz von externen Mitarbeitenden, die bei einem IT-Unternehmen angestellt sind, von dem aus dem Personalverleih unterscheiden. Für die Rekrutierung von Fachkräften aus IT-Unternehmen spricht die Tatsache, dass hier nach Möglichkeit bereits dem Auftraggeber bekannte Personen vermittelt werden. Dem Wunsch nach bekannten Personen, die nicht bloss über die gewünschten Skills verfügen, sondern sich bereits auch mit dem Unternehmen auskennen und sich in der Zusammenarbeit mit den Teams bewährt haben, wird nach Möglichkeit nachgekommen. Darüber hinaus kann bei IT-Unternehmen auf einen grösseren Pool an zusätzlichen Fähigkeiten und Erfahrungen zurückgegriffen werden. Die ausgeliehenen Angestellten haben direkten Zugang zu ihren Kollegen des Anstellungsbetriebs und damit, wenn nötig, zu schnellem Zugang zu Kompetenzen und Erfahrungen aus dem bestehenden Dienstleistungsverhältnis mit dem IT-Unternehmen. Hingegen gibt es in dieser Situation auch gewisse rechtliche Herausforderungen in personeller Hinsicht. Wenn ein Einsatzbetrieb den Spezialisten vollwertig in die Organisation integriert, etwa mit Badge und Namensschild an der Bürotür, so kann er im Zweifelsfall als Angestellter des Endkunden gewertet werden. Beim Leiharbeitsverhältnis betrifft dies neben der Übertragung des Weisungsrechts auch die Fürsorgepflicht, die das Weisungsrecht nach sich zieht. Schutz vor Unfällen, fairer Umgang oder ein gut ausgestatteter Arbeitsplatz müssen gewährleistet werden. Finanzelle Verpflichtungen der Fürsorgepflicht wie Lohnfortzahlung oder Beiträge an die Personalvorsorge sind hingegen nicht damit verbunden. Diese obliegen allein dem Verleiher – oder eben dem IT-Unternehmen, das die Fachperson als Consulting-Dienstleistung zur Verfügung stellt.

 

Contracting, Ad-interim, Payrolling

Der Markt für Executives wie einen Chief Information oder Chief Security Officer, aber auch für ganz spezielles, spezifisches Know-how funktioniert inhaltlich ähnlich, aber teils über andere Kanäle. So gibt es eine grosse Zahl an selbständigen Unternehmern, die ihre Dienstleistung als Person verkaufen. Dieses Contracting ist beispielsweise bei Software-Entwicklern mit bestimmten Skills üblich, etwa für die Parametrisierung von Branchen-Software, um diese weiter betreiben zu können. Man findet diese Experten über lose Netzwerke wie Linkedin oder auch über Ad-interim-Firmen und weniger über klassische Personalvermittler. Um die Gefahr einer unbemerkten Scheinselbständigkeit zu verhindern und als Einsatzunternehmen die Folgen dafür zu tragen, arbeiten aber viele Unternehmen nur noch mit Selbständigen zusammen, die mindestens eine eigene GmbH haben. Damit können sie sicher sein, dass der Arbeitnehmer die Sozialkosten selbst bezahlt. Darüber hinaus gibt es auch extra auf Payrolling spezialisierte Firmen. Diese übernehmen wie die Verleih- oder IT-Firmen die Lohnabrechnung inklusive Sozialversicherungen und Altersvorsorge, sind aber allein darauf spezialisiert. Der Kunde profitiert hier von Skaleneffekten bei einer Arbeit, die nicht seiner Kernkompetenz entspricht. Ein Nachteil bei der Beauftragung von selbständigen Spezialisten kann sein, dass bei diesen die Weiterbildung oftmals zu kurz kommt. Ganz auf ein Thema fokussierte Spezialisten sind dann plötzlich aussen vor, wenn in einer Branche ihre Skills nicht mehr gesucht werden.

 

Bedürfnisse entscheiden

Spezialisten, die bei IT-Unternehmen arbeiten. sind in der Regel sehr gut ausgebildet und nachhaltig in die Unternehmensstruktur integriert. Denn der Arbeitgeber will seine Mitarbeitenden an sich binden und ist für ihre konstante Weiterbildung bemüht. Diese Unternehmen sind als Lieferanten verantwortlich für eine pflichtgemässe Erfüllung der Aufträge. Reine Personalvermittler müssen für eine gute Auswahl des Arbeitnehmers sorgen, treten aber die Weisungsbefugnis an den Unternehmenskunden ab und garantieren damit nicht für den Erfolg (Seco, Weisungen 2003, S. 66 f.). Dafür verfügen sie über eine grosse Auswahl an schnell verfügbaren Skill-Resourcen unterschiedlichster Spezialisierung. Ob Personalverleih oder Auftragsvergabe an ein IT-Unternehmen egal welcher Grösse die passende Wahl ist, hängt von der jeweiligen Situation und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kunden ab.